Stammdaten in zwei ERP-Systemen und 15 Buchungskreisen mit circa 30.000 Kreditoren – so sieht das Setup der TEAG Thüringer Energie für das Management der Gläubiger von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in nackten Zahlen aus. Und die wachsenden Geschäftsfelder führen im Laufe der Jahre naturgemäß zu immer mehr Daten, deren Qualität gesichert werden muss. (Titelbild: TEAG)
Veröffentlicht im S@pport, Ausgabe 3/2023
Der Versorger mit Sitz in Erfurt ist aus dem E.ON Konzern hervorgegangen, so gibt es neben den aktuellen eigenen Daten auch noch historische Daten, die in den Systemen gespeichert sind. „Durch diese Gemengelage war die Qualität der Stammdaten nicht nach unseren Vorstellungen. Gerade aber die Qualität ist wichtig, damit unser Vorhaben, den Purchaseto-Pay-Prozess von Anfang bis Ende zu automatisieren, gelingen kann“, erläutert Ina Ettel, Fachgebietsleiterin Kreditorenbuchhaltung bei TEAG. Die Stammdaten seien wichtig, damit das System automatische Zuordnungen vornehmen könne. Bei der Automatisierung der Prozesse sei es jedoch immer wieder zu Störungen gekommen, da das System eine Eins-zu-eins-Beziehung benötige. Tauchten bei den Kreditoren Dubletten auf, fand das System diese nicht automatisch. Die Folge: Dubletten mussten manuell gesucht werden. Zudem mussten Anlagen/Anträge manuell an die SAP-Kreditoren gehängt werden, um revisionssicher zu handeln. Der hohe manuelle Bearbeitungsaufwand war aber nicht das einzige Problem. Informationen zu Stammdaten gingen teilweise bei diversen Fachbereichen ein, die das Handling nach eigenem Ermessen vornahmen. Es bestanden unterschiedliche Eingangskanäle für Stammdatenanträge wie Post oder Mail. Stammdatenänderungen erfolgten auf Basis von Rechnungen oder die Neuanlage von Stammdaten durch den Einkauf auf Basis von Verträgen. Die Dokumentenablage geschah mal digital, etwa in einer E-Mail oder im Rahmen des Rechnungsprüfungs-Workflows, mal in Papierform in Ordnern. Schließlich kam es zu aufwendigen Massenänderung von Stammdaten, da beispielsweise bei Gemeinde- oder Bankfusionen entsprechende Anpassungen manuell durchgeführt werden mussten.
Hoher zeitlicher Aufwand für manuelles Datenmanagement
Der zeitliche Aufwand durch die vielen manuellen Bearbeitungsschritte wird durch folgende Rechnung deutlich: Das Stammdatenteam schätzt, dass es pro Anlage oder Änderung eines Kreditors rund einen halben Tag mit Rückfragen und Suchen beschäftigt war. Geht man einmal von 200 solchen Vorgängen pro Jahr aus, dann mussten in der Vergangenheit ungefähr 100 Tage aufgewandt werden für manuelle Vorgänge wie Neuanträge zur Anlage eines Kreditors, Änderungen bei Bankverbindung, Anschriften und anderem. Und das nur bei den Kreditoren, die Debitoren kamen noch hinzu. Dabei mussten die Mitarbeiter die zwei unabhängig voneinander laufenden ERPSysteme – das Netzsystem für die Netzgesellschaften und das (führende) Vertriebssystem mit den Betriebsgesellschaften – über Eidos versorgen und die Stammdaten zudem in den entsprechenden Buchungskreisen pflegen. Mit der Anlage eines Kreditors ist ein IKS-Prozess (Internes Kontrollsystem) verbunden, bei dem das Vier-Augen-Prinzip zu den Mindestanforderungen gehört. Zudem müssen entsprechende Unterlagen eingereicht werden, die revisionssicher abzulegen sind. Geht es beispielsweise um die Beauftragung eines Lieferanten für Software, kann ein Angebot eingereicht werden. Das Unternehmen arbeitete mit einer Rechnungsprüfungslösung, die die Anlage von Kreditoren über den Workflow stützt; die Prozesse waren also bereits teilweise maschinell, aber eben nicht bei allen Vorgängen.
Projektziele: zentrales Datenmanagement und Automatisierung
Bei dem Projekt zur Einführung einer Stammdatenmanagementlösung versprach sich die TEAG folgende Ziele:
- Zentralisierung der Stammdatenpflege, hohe Stammdatenqualität als Voraussetzung für die Einführung digitaler Prozesse und in Vorbereitung auf S/4HANA – damit verbunden die Umstellung auf „Geschäftspartner“
- einheitliche und revisionssichere Antrags-, Prüfungs- und Freigabeprozesse
- aktuelle Stammdaten, durch die Validierung von Umsatzsteueridentifikationsnummer und einheitlicher Schreibweise bei Anschriften sowie die Vermeidung von Dubletten
- hoher Automatisierungsgrad bei Massenänderungen von Stammdaten
- Transparenz durch zentrale Dokumentenablage und Systemdokumentation der Änderungsbelege – wer hat was wann wie beantragt, geprüft, freigegeben

TEAG: Anlage und Änderung von Kreditorenstammdaten
Aufgrund vieler manueller Bearbeitungsschritte war der Aufwand beim Managen der Stammdaten erheblich. Das Team war pro Anlage oder Änderung eines Kreditors rund einen halben Tag mit Rückfragen und Suchen beschäftigt. Bei etwa 200 Vorgängen pro Jahr, musste das Team also rund 100 Tage aufwenden, um Neuanträge zur Anlage eines Kreditors, Änderungen bei Bankverbindung oder Anschriften zu bearbeiten. Für das Managen der Debitoren kam ein ähnlich hoher Aufwand hinzu. Seit der Einführung der Stammdatenmanagementlösung ist ein neuer Kreditor nach der Anlage innerhalb von einer Stunde in allen Systemen verfügbar. (Bildquelle: Zetvisions)
Softwareauswahl
Wesentliche Faktoren bei der Bewertung der infrage kommenden Softwarelösungen waren die Usability, die Einschätzung durch den Fachbereich und die Kosten. Eine mögliche Lösung, bei der die Abrechnung nach Anzahl der Stammdaten in Paketen erfolgt, erwies sich dabei als nicht wirtschaftlich. Stattdessen gab das Unternehmen einer Lösung den Vorzug, bei der der Preis nach Anzahl der Nutzerlizenzen gebildet wird. Das war für die Verantwortlichen maßgeblich, da der Bearbeiterkreis überschaubar ist. Neben den genannten Aspekten sollte die gesuchte Lösung über Kreditoren hinaus auf weitere Stammdatenobjekte wie Debitoren, Materialen oder Sachkonten erweiterbar sein. Schließlich spielten der Support und die Erreichbarkeit der Ansprechpartner für Beratung und Fehlerbereinigung eine Rolle bei der Softwareauswahl.
Projektvorgehen und Lösung
In einem dem Stammdatenprojekt vorgelagerten Projekt wurden zunächst die Stammdaten harmonisiert. Dabei hat TEAG gleiche Kreditoren zusammengefasst und die entsprechenden Belege angepasst. Nach der Softwareauswahl wurden ein Projektplan erstellt und die beteiligten Fach- und IT-Bereiche eingebunden. Das Projekt wurde sodann in folgenden Schritten durchgeführt: Kick-off und Projektteamtraining, Basisinstallation, Analyse- und Designworkshops, Schulungen, Implementierung der Software, kundenspezifische Entwicklungen und Customizing sowie Migration und Initialbeladung. Die Revision hat das Projekt von Anfang an begleitet; auch war selbstverständlich der Betriebsrat informiert. Nach dem Go-live erwies sich vor allem die Hypercare-Phase als essenziell.
Im Rahmen der neuen Lösung hatten die Verantwortlichen sechs Anlage und Änderungsprozesse für Kreditorenstammdaten definiert:
- Kreditor anlegen
- Kreditoren ändern – Adresse, Bankverbindung, Steuernummer
- Buchungskreis hinzufügen: Alle Stammdaten sollen in den Buchungskreisen einheitlich sein; Anlage erfolgt im führenden Buchungskreis, buchungskreisübergreifende Daten werden bei Bedarf in andere Buchungskreise übertragen/kopiert, nur die buchungskreisspezifischen Daten müssen ergänzt werden
- Erweiterung um Einkaufsorganisation, falls ein Kreditor noch nicht für den Einkauf angelegt ist
- Sperren/Entsperren von Kreditoren
- Kommunikationsdaten ändern: E-Mail-Adressen der Lieferanten ohne Prüf- und Genehmigungsprozess
Bei allen Prozessen sieht der Anwender die Request-Historie und kann nachvollziehen, wo sein Antrag gerade liegt.
Nutzen
„Der Gesamtnutzen, den wir in unserer täglichen Arbeit sehen, ist die zentralisierte Stammdatenpflege. Dadurch werden Dubletten vermieden“, sagt Bernd Hanft, Anwendungsberater und Projektleiter für das Stammdatenprojekt bei der TEAG. Durch Validierungen könnten Adressen via Adressdatenbank und Umsatzsteueridentifikationsnummern via Webservice überprüft und Dubletten erkannt werden. Der einheitliche Stammdatenprozess sorge für eine systemtechnische Dokumentation der Bearbeitungsschritte, für einen geführten Antragsprozess und für eine revisionssichere Archivierung. „Alle Informationen, die zu einem bestimmten Prozess gehören, sind an einer Stelle auffindbar“, so Hanft. Es bestehe eine zentrale Dokumentenablage der Antragsunterlagen wie Angebote, Rechnungen oder auch der Freistellungsbescheinigungen. Zudem sind die Zeiten vorbei, in denen pro Anlage oder Änderung eines Kreditors rund ein halber Tag mit Rückfragen und Suchen aufgewandt werden musste. „Seit der Einführung der Stammdatenmanagementlösung ist ein neuer Kreditor nach der Anlage innerhalb von einer Stunde in allen Systemen verfügbar“, betont Hanft.
Bei Kollegen um Akzeptanz werben
Unternehmen, die sich mit dem Gedanken tragen, eine ähnliche Stammdatenlösung einzuführen, sollten die Workshops mit allen Beteiligten großzügig planen. Alle Fachbereiche sollten – schon in der Konzeptphase – eingebunden werden. „Zur TEAG gehören zahlreiche Unternehmen und entsprechend viele Buchungskreise. Manche laufen mehr oder weniger autark, auch die müssen aber eingebunden werden“, erläutert Hanft. Sein weiterer Rat: „Werbung machen, immer wieder verdeutlichen, warum man das Projekt macht.“ Schließlich sollte die Hypercare-Phase nicht zu kurz sein; die Beteiligten brauchten Zeit, um sich mit dem neuen System vertraut zu machen. Außerdem tauchten in dieser Phase hie und da Punkte auf, bei denen es noch Korrekturbedarf gebe. Was sollte man unterlassen? „Nichts von oben durchdrücken, weil es beispielsweise die Projektleitung so haben will“, meint Hanft. Die neue Lösung verändere interne Prozesse. Hierfür müsse Akzeptanz hergestellt werden. Wichtig sei schließlich die Unterstützung durch das Management. Darum hat TEAG sich gekümmert und das Projekt bis in den Vorstand getragen. Der sah den Handlungsbedarf und gab entsprechende Rückendeckung.
TEAG Thüringer Energie
TEAG ist das führende Energie-Dienstleistungsunternehmen im Freistaat Thüringen. Das kommunale Unternehmen versorgt täglich mehr als 500.000 Kunden mit Strom, Erdgas und Fernwärme und bietet umfangreiche energiespezifische Dienstleistungen an. Die Tochtergesellschaften TEN Thüringer Energienetze und Thüringer Netkom betreiben ein rund 40.000 Kilometer langes Strom- und Erdgasnetz sowie ein über 6.000 Kilometer langes Glasfasernetz. Darüber hinaus ist die TEAG mit ihren Kraft-Wärme-Kopplungs-Heizkraftwerken sowie dezentralen Erzeugungsanlagen auf der Basis erneuerbarer Energien ein wichtiger Stromproduzent im Freistaat. Damit sieht sich die TEAG Thüringer Energie mit ihren Tochtergesellschaften als einer der wichtigsten Infrastruktur-Dienstleister in Thüringen. Der Versorger beschäftigt aktuell rund 1.900 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2021 Umsatzerlöse in Höhe von 1,86 Milliarden Euro.